Lengeder Auswanderer

Die Hotopps in Amerika

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Autor: Campbell M. Wade, Socorro, USA. Deutsche Übersetzung Bernward Kemper, Vallstedt

Einige der ersten Personen aus Lengede, die nach Amerika emigrierten, waren mein Urgroßvater Conrad Hotopp, sein älterer Bruder Christian und seine jüngere Schwester Juliane. Dieser Artikel ist ihre Geschichte:


Bild 16-1
Julius Hotopp mit Schwester oder Ehefrau um 1860
(Das älteste Foto von Lengede)

Ihr Vater Julius Hotopp (1801-1880) verbrachte sein ganzes Leben in Lengede (Haus Nummer 87/Eichenweg 8). 

Ihre Mutter Juliane Voges (1797-1845) stammte aus Klein Lafferde. Nicht ganz zwei Jahre nach ihrem Tod heiratete Julius eine viel jüngere Frau mit Namen Elisabeth Siebke (1821-1876). Diese Frau war äußerst unbeliebt bei den drei Kindern. 

Meine Großmutter, die Tochter von Conrad Hotopp erzählte mir, dass ihre tiefe Abneigung gegenüber der Stiefmutter der Grund war, weshalb sie Lengede verließen. Anstatt sich irgendwo anders in Deutschland niederzulassen, gingen sie nach Amerika, da in der damaligen Zeit die wirtschaftlichen Möglichkeiten in der „Neuen Welt“ viel größer waren.

Christian und Conrad verließen Lengede mit dem Ziel „Amerika“ im Jahre 1854. Juliane folgte ihnen drei Jahre später zusammen mit ihrem frisch angetrauten Ehemann Ludwig Schilling (1824-1902) aus Vallstedt. 

Von Amerika aus behielten die drei Kinder von Julius Hotopp immer eine gute Beziehung zu ihrem Vater, doch es hat den Anschein, dass sie sich niemals mit ihrer Stiefmutter aussöhnten. Ich besitze immer noch viele Briefe von Julius an meinen Urgroßvater, die klar zeigen, dass sie stets Liebe und Respekt füreinander hegten. Doch wird in jenen Briefen niemals die Stiefmutter erwähnt.

Ich werde nun über jeden Hotopp, der emigriert ist, berichten und beginne mit meinem Urgroßvater, da ich seine Geschichte am besten kenne.

Quelle: Chronik 1151-2001, 16
Internet-Aufbereitung: Holger Meier, 29.09.2003

Lengeder Auswanderer

Conrad Hotopp

Autor: Campbell M. Wade, Socorro, USA. Deutsche Übersetzung Bernward Kemper, Vallstedt

Conrad Christian Hotopp wurde am 24.Mai 1832 in Lengede geboren. Er starb fast genau 90 Jahre später am 28. Mai 1922 in Elizabethtown, Kentucky, USA. Am letzten Tag seines Lebens befand er sich im Koma und redete in einer Sprache, die keiner verstand. Es kann nur das Lengeder Platt gewesen sein. Er war mit seinen Gedanken also in Lengede, das er vor fast 70 Jahren verlassen hatte. Auf dem Stadtfriedhof von Elizabethtown wurde er beerdigt, sein Grab ist heute noch vorhanden.

Conrad Hotopp war ein Schuhmacher. Ich besitze den Schusterhammer, den ein Lengeder Schmied für ihn anfertigte, als er um 1846 seine Lehre begann. Er benutzte den Hammer 63 Jahre lang, bis er schließlich 1909 sein letztes Paar Schuhe anfertigte. 1850 nach Beendigung seiner Lehre ging er von zu Hause fort, um sich auf eine vierjährige Wanderschaft zu begeben, die ihn durch große Teile Deutschlands führen sollte, um an verschiedenen Orten zu arbeiten und etwas zu lernen. Ich besitze sein „Wanderbuch“, eine Art Reisepass, den er bei sich tragen musste. Es enthält Stempel der Polizeibehörde jeder Stadt, die er besuchte.

Am 25. Juni 1850 verließ er Lengede. Er arbeitete an vielen Orten. Seine längsten Aufenthalte waren die in Oschersleben, Leipzig, Heilbronn, Bruchsal und Hoheneggelsen. Anfang September 1854 kehrte er nach Lengede zurück. 

Ende September 1854 gingen Conrad und sein Bruder Christian zu Fuß nach Bremerhaven, wo sie an Bord eines Segelschiffes gingen, Kurs Vereinigte Staaten. Sie verdienten sich ihre Überfahrt durch harte Hilfsarbeiter-Tätigkeiten an Bord, wie Deck schrubben und Malerarbeiten. Nach einer zehnwöchigen Seereise kamen sie im Dezember 1854 in New Orleans an. Sie arbeiteten sechs Monate in New Orleans und lernten währenddessen die englische Sprache und amerikanische Sitten und Gebräuche. Im Sommer 1855 reisten die Brüder den Mississippi und den Ohio stromaufwärts nach Louisville, Kentucky, wo es eine große deutsche Gemeinde gab.

Für die nächsten vier Jahre arbeitete Conrad für einen deutschen Schuhmacher. Während dieser Zeit traf er seine zukünftige Ehefrau, Elisabeth Scheurer. Sie wurde 1834 in Cramberg geboren, einem Dorf an der Lahn im Herzogtum Nassau (heute Rheinland-Pfalz). Noch vor ihrem ersten Lebensjahr emigrierte ihre Familie nach Amerika. Ich bewahre noch immer ihre Reisedokumente auf, die ihre Reise rheinabwärts im März 1835 belegen, von Eltville nahe Wiesbaden nach Amsterdam, wo sie ihre Schiffsreise antraten. Am Ende des Jahres 1859 erwarb Conrad einen Schuhmacherbetrieb in Elizabethtown, einer kleinen Stadt ca. 60 km südlich von Louisville. Ungefähr zu dieser Zeit heiratete er Elisabeth und wurde amerikanischer Staatsbürger. Er arbeitete hart und kam zu Wohlstand. Er durchlitt schwere Zeiten während des amerikanischen Bürgerkrieges (1861 – 1865), da er – wie die meisten Deutschen in Amerika – offen die Bundesregierung in Washington unterstützte, obwohl die Meisten in Elizabethtown auf Seiten der Südstaaten waren, die sich selbständig zu machen versuchten und einen eigenen unabhängigen Staat gründen wollten.

Im August 1869 vernichtete ein sich unkontrolliert ausbreitendes Feuer weite Teile von Elizabethtown. Conrad Hotopps Wohnhaus und sein Betrieb wurden vollständig zerstört. Alles was ihm blieb waren seine Frau, einige seiner Papiere und sein Schusterhammer. Sobald das Feuer erloschen war, begann er mit dem Wiederaufbau. Drei Monate nach dem Feuer hatte er einen neuen Schuhmacherbetrieb (Herstellung und Verkauf) und ein neues Wohnhaus, das heute immer noch steht. Er erholte sich schnell von seinem Verlust. 

Schon wenige Jahre nach dem Feuer war er finanziell so abgesichert, dass er in private Bankgeschäfte einsteigen konnte. Dies ist nach amerikanischen Recht nicht mehr erlaubt, doch während des 19. Jahrhunderts war es allgemein üblich. Private Banken, die nach Gesetzen streng kontrolliert wurden , spielten eine große Rolle für das wirtschaftliche Leben der Grenzansiedlungen zum „Wilden Westen“. Zur Gründung einer privaten Bank hinterlegten mehrere Personen Geld in einer gemeinsamen Kasse, aus der sie zu staatlich festgelegten Zinsen Geld verliehen. Diese Männer arbeiteten weiterhin in ihrem bisherigen Handwerk und nutzten das Bankgeschäft als Nebenverdienst. So stellte Conrad Hotopp weiterhin in Handarbeit dreißig Jahre lang Schuhe her, nachdem er Bankier geworden war. Die Privatbank, bei der er einer der Besitzer war, war sehr erfolgreich und erlangte um die Jahrhundertwende den Status einer heute üblichen Handelsbank. 

Während des 19. Jahrhunderts hatten die meisten amerikanischen Staaten kein öffentliches Schulsystem. Stattdessen regelte jede Gemeinde oder Kommune selbst, wie ihre Kinder unterrichtet werden sollten. Normalerweise taten sich Eltern zusammen, bauten eine Schule und stellten einen Lehrer ein, oder Lehrer schlossen sich zu Privatschulen zusammen, oder Kirchen übernahmen die schulische Ausbildung. Kinder, deren Eltern zu arm waren, um das Schulgeld zu bezahlen, erhielten keine schulische Ausbildung. Bis ungefähr 1880 hatte Elizabethtown einige wenige Privatschulen im Besitz und in der Verwaltung von Lehrern, sowie eine katholische Konfessionsschule.

Conrad Hotopp war der Überzeugung, dass alle Kinder zur Schule gehen sollten, egal ob ihre Eltern bezahlen konnten oder nicht. Er startete deshalb eine Initiative in Elizabethtown, eine öffentliche Schule zu schaffen, die von Steuergeldern finanziert werden sollte. Die Bevölkerung war in dieser Frage vollkommen gespalten. Viele Leute stimmten Conrad Hotopp zu, doch viele andere sahen keine Veranlassung Schulgeld für fremde Kinder zu zahlen. Wenn einer seiner Freunde ihn warnte, er würde Kunden verlieren, wegen seiner Einstellung zu der Schulgeldfrage, antwortete er: „Ich verkaufe Schuhe, nicht meine Meinung“. 1877 wurde in dieser Angelegenheit abgestimmt und die Befürworter der öffentlichen Schule gewannen. Elizabethtown war einer der ersten Städte in Kentucky mit einer von Steuergeldern finanzierten Schule, vor allem auf maßgebliches Betreiben von Conrad Hotopp. 

Conrad und Elisabeth blieben vorerst ohne Kinder, bis schließlich im Mai 1871 ihre Tochter Katharina Julia (1871-1968) geboren wurde. Sie wurde nur „Katie“ genannt und sollte meine zukünftige Großmutter werden. Eine zweite Tochter, Alice Emilie (1873–1954) wurde zwei Jahre später geboren. 

Alice heiratete erst spät, ihre Ehe blieb kinderlos. Katie ehelichte Robert Cates (1863-1957) im Jahre 1894. Sie hatten vier Kinder. Drei von ihnen blieben ohne Kinder, sie sind alle bereits verstorben. Die Jüngste von den Vieren ist meine Mutter, zur Zeit im Alter von 96 Jahren. Ihr Großvater Conrad nannte sie „Dingele“. Sie ist die einzige noch lebende Person, die Conrad Hotopp noch gut kannte. Zum Zeitpunkt dieser Niederschrift hat sie drei Kinder, zehn Enkel und 20 Urenkel. 


Bild 16-2
Der um 1846 in Lengede hergestellte Schusterhammer von Conrad Hotopp


Bild 16-3
Conrad Hotopp, ca. 1859


Bild 16-4
Elisabeth Hotopp, geb. Scheurer, ca. 1859


Bild 16-5
Conrad Hotopp, ca. 1875

Quelle: Chronik 1151-2001, 16
Internet-Aufbereitung: Holger Meier, 29.09.2003