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Die Germanen waren nicht ein
Volk, sondern viele verschiedene Stämme, die von den Römern unter dem
Oberbegriff "Germanen" zusammengefasst wurden. Tacitus nannte an die 50
unterschiedliche Gruppen, die um die Zeitenwende zwischen Rhein, Donau und
Weichsel lebten. Dabei fiel auch ihm die Zuordnung - germanisch oder
nichtgermanisch - mitunter schwer. Mal gab die Sprache, mal die Kultur, mal der
Charakter einer Gruppe den Ausschlag.
Im archäologischen Fundgut lässt sich die von Tacitus und anderen beschriebene
regionale Verteilung der Stämme nicht erkennen. Stattdessen zeichnen sich anhand
der unterschiedlichen Siedlungs- und Hausformen, Bestattungssitten und
Alltagsgüter Großgruppen ab, wie die Nordsee-Germanen, die Rhein-Weser-Germanen,
die Elbgermanen und andere.
Stammesführer
Den römischen Quellen zufolge gab es auch bei den Germanen eine Oberschicht. Der
Machtanspruch der Stammesführer beruhte wohl auf ihrer sozialen Herkunft und
ihrem Besitz und wurde durch eine Gefolgschaft - eine Gruppe loyaler Krieger -
durchgesetzt. Unter ihnen standen Freie und Unfreie. Die Unfreien
bewirtschafteten wie auch die Freien ihre eigenen Höfe, waren aber, anders als
diese, ihren Herren zu Abgaben verpflichtet.
Die archäologischen Quellen geben über die gesellschaftlichen Strukturen der
Germanen nur wenig Auskunft. Einige wenige reicher ausgestattete Gräber,
einzelne deutlich größere Höfe - aber keine Burgen, keine Zentralorte, keine
eindeutigen Machtinsignien. So ergibt sich aus den archäologischen Funden für
die meisten Regionen eher das Bild einer landwirtschaftlich geprägten
Gesellschaft, bestehend aus Familienverbänden und Dorfgemeinschaften mit
"Ältesten" oder Anführern auf lokaler und Oberhäuptern auf regionaler Ebene.
Krieger und Bewaffnung
Kriege wurden bei den Germanen innerhalb der Stämme, den benachbarten
Siedlungen, den Nachbarstämmen oder gegen auswärtige Feinde geführt. Gekämpft
wurde aus wirtschaftlichen Gründen, aus Ruhmsucht, Machtstreben oder zur Abwehr
römischer Legionen. Auch Blutrache und immer wieder aufflackernde Fehden kamen
als Streitursache in Frage.
Ein germanischer Krieger war zumeist ausgestattet mit einem Holzschild und einer
Lanze. Nur wenige hatten ein Schwert. Schließlich war das Material knapp, und
nicht jeder konnte sich ein Schwert leisten. Wahrscheinlich war aber auch nicht
jeder berechtigt, ein Schwert zu tragen, was den besonderen Wert dieser Waffe
vielleicht zusätzlich unterstrich.
Schutzpanzer und Helme wurden nicht getragen. Dadurch waren die germanischen
Krieger zwar verletzbarer, doch schneller und beweglicher als die schwer
bewaffneten Römer, deren Ausrüstung ja fast einen Zentner wog. Viele Germanen
sammelten als Söldner in römischen Hilfstruppen Erfahrungen mit den römischen
Kampftaktiken und kannten sowohl deren Stärken, als auch ihre Schwächen. Je mehr
die Germanen von der römischen Armee lernten, umso gefährlicher wurden sie für
die Römer. Bei ihren Angriffen auf die Legionäre wählten sie deshalb
unübersichtliche Geländesituationen und die Strategie der partisanenartigen
Überraschungsangriffe.
Das Thing
Zum Thing versammelten sich die germanischen Männer um alles Wichtige zu beraten
- so berichtet Tacitus, denn archäologisch kann man weder die Veranstaltung noch
den Austragungsort nachweisen. Laut Tacitus fand das Thing regelmäßig statt,
z.B. immer bei Voll- oder Neumond. Teilnehmen durften alle freien, ehrbaren und
deshalb Waffen tragenden Männer, nicht jedoch Frauen, Unfreie und Kinder. Bei
diesen Zusammenkünften wurden Probleme und Pläne erörtert, aber auch Streitfälle
vorgetragen, Anklagen erhoben und Gerichtsverhandlungen abgehalten. Darüber
hinaus wurden bei Thingtreffen die jungen Männer in die Gemeinschaft der
Erwachsenen aufgenommen. Der Junge erhielt von einem Verwandten oder dem
Stammeshaupt Schild und Frame, die germanische Lanze, überreicht und wurde damit
zum wehrfähigen Mann und vollwertigem Mitglied der Gesellschaft.
Haus, Hof und Umgebung
Die Germanen lebten in einzelnen Gehöften oder kleinen Dörfern mit bis zu fünf
Höfen. Erst 200 nach Christus entstanden vereinzelt größere Siedlungen. Ihre
Häuser waren zwei- oder dreischiffige Wohnstallhäuser, mitunter bis zu 30 Meter
lang - gebaut aus Holz, mit Lehm verputzten Flechtwerkwänden und einem
wahrscheinlich mit Reet gedeckten und zum Schutz der Wände tief herunter
gezogenen Dach. Um dem Wind trotzen zu können, waren die Häuser von West nach
Ost ausgerichtet. Die Lebensdauer der Häuser beschränkte sich meist auf eine
Generation.
Mensch und Tier lebten zusammen unter einem Dach. Das Innere des Hauses war in
einen Wohn- und einen Stallbereich gegliedert. In dem Stallteil überwinterte das
Vieh. Den Wohnteil, in dem auch gekocht und geschlafen wurde, kennzeichnet die
fast immer in der Raummitte liegende, mit Lehm, Steinen oder Tongefäßscherben
ausgelegte Herdstelle. Wahrscheinlich sorgten Öllampen und Kienhölzer für Licht,
denn Fenster gab es natürlich noch keine. Die Inneneinrichtung konnte bislang
archäologisch nicht nachgewiesen werden.
Zu einem Hof gehörten einige kleine Nebengebäude, die als Vorratsspeicher
dienten oder wie die Grubenhäuser wahrscheinlich als Werkstattraum für Weberei
oder für Metallverarbeitung genutzt wurden.
Handwerk und Technik
Fast alles, was im Alltag benötigt wurde, stellten die Germanen selbst her -
Kleidung wurde gewebt, Hausrat getöpfert oder aus Holz gefertigt, Kämme und
Werkzeuggriffe aus Knochen oder Geweih geschnitzt, Beutel und Schuhe aus Leder
genäht und vieles mehr. Anders bei Metallgegenständen. Bronzeguss war
hierzulande schon lange bekannt. Vergleichsweise neu war dagegen die
Eisenverarbeitung. Die Beschaffung des Rohstoffes bereitete keine Probleme, denn
gerade in Norddeutschland gab es zwar Raseneisenerz in Hülle und Fülle, doch
dessen Verhüttung in so genannten Rennfeueröfen war nicht einfach und der
Eisenanteil mitunter auch gering.
Die frühesten Hinweise auf die Eisenverhüttung stammen hierzulande aus dem 2.
Jahrhundert vor Christus, erst in nachchristlicher Zeit scheint fast jede
Siedlung einen Verhüttungsplatz gehabt zu haben. So ist es denkbar, dass es
Spezialisten, also Dorfschmiede gab, die diese Kunst beherrschten und sich auf
die Herstellung von Werkzeugen und Waffen verstanden.
Ackerbau und Viehzucht
Die wichtigsten Säulen der Wirtschaft waren Ackerbau und Viehzucht. In den
waldreichen Gegenden rodeten die Germanen deshalb die Wälder, um Kulturpflanzen
anzubauen. Bei Siedlungsgründung wurde eine Lichtung im Wald geschaffen. Tacitus
spricht von unermesslich großen Wäldern. Pollenanalysen zeigen, dass Eichen
vorherrschten. Anders als in der heutigen stark gegliederten Kulturlandschaft,
waren die Übergänge zwischen dichten Wäldern, aufgelichteten Weideflächen,
offenem Ackerland und Siedlungsarealen sehr viel fließender. Eine aufwändige
Landnutzung lohnte nicht, da Siedlungen nur für eine Zeitdauer von einigen
Jahrzehnten bestanden. Auf den gerodeten Flächen wurde so lange Ackerbau
betrieben, wie der Boden dies erlaubte. War er schließlich ausgelaugt, wurde ein
neuer Acker angelegt. Stand nur begrenzt Ackerfläche zur Verfügung, zum Beispiel
auf den Wurten im Nordseeküstenraum, wurden die Ackerflächen gedüngt.
Angebaut wurden verschiedene Getreidearten, Flachs, Hülsenfrüchte und Gemüse wie
Erbsen, Kohl, Möhren, Zwiebeln und Porree. Obstanbau gab es in der Umgebung von
Siedlungen nicht. Rinder, Schweine und Schafe weideten in den Wäldern.
Tierknochenfunde aus jener Zeit belegen die große Bedeutung der Rinderhaltung.
Das Rind war vielseitig nutzbar: Es diente als Lasttier, gab Milch und Fleisch,
der Dung war Brenn- und Baustoff und konnte für die Düngung der Felder
eingesetzt werden. Aus dem Leder wurden Kleidungsstücke gefertigt und aus den
Knochen Kämme und andere nützliche Dinge hergestellt.
Ernährung
Hauptnahrungsmittel war Getreide. Daraus bereitete man Brot und Breie zu oder
verwendete es als Einlage in Eintöpfen. Je nach Jahreszeit wurde der Speiseplan
durch Gemüse und das, was die Natur bot, ergänzt - Kräuter, Beeren, Wildfrüchte,
Pilze, Honig. Wahrscheinlich verarbeitete man Milch zu Butter und Käse. Fleisch
war vermutlich ein eher seltener Genuss. Im Sommer war der Tisch reich gedeckt,
doch im Winter konnte es trotz Vorratshaltung knapp werden. Getrunken wurden
Wasser, Fruchtsäfte, auch Kräutertees sowie Bier und Met - eine vergorene
Mischung aus Honig und Wasser. Auffallende Trinkgefäße waren die Trinkhörner.
Sie fassten je nach Größe bis zu einem halben Liter.
Gesundheit
Ein Germane führte ein kurzes und hartes Leben. Die durchschnittliche
Lebenserwartung lag bei 30 Jahren. Die Kindersterblichkeit war sehr hoch. Wer
allerdings die ersten sechs Jahre unbeschadet überstand, hatte durchaus Chancen
50 Jahre und älter zu werden. Das höchste Sterberisiko lag für Männer zwischen
dem 29. und 39. Lebensjahr, für Frauen zwischen dem 49. und 59. Lebensjahr. Bei
Frauen stieg die Sterblichkeitsrate, vermutlich bedingt durch Schwangerschaft
und Kindsgeburt, ab dem 24. Lebensjahr an.
Die häufigsten Todesursachen waren Unfälle und Infektionen. Einfache
Knochenbrüche und offene Wunden konnten lebensbedrohliche Folgen haben. Selbst
Zahnschäden, Karies und Parodontose führten nicht nur zu starken Zahnschmerzen,
sondern zogen auch tödlich endende Infektionen nach sich. Mangelerscheinungen,
Knochen-, Gelenks- und Wirbelerkrankungen waren weit verbreitet und Hungersnöte,
besonders während harter und langer Winter, wohl an der Tagesordnung.
Kleidung
Die Germanen stellten ihre Bekleidung aus gewebten Wollstoffen her. Die Männer
trugen Hosen, dazu einen Kittel und darüber einen Umhang. Die Frauen hatten
ärmellose lange Kleider, die sie auf der Schulter zusammensteckten. An ihren
bunten Taillengürteln hingen kleine Lederbeutel, die allerlei nützlichen
Kleinkram enthielten. Für den richtigen Sitz von Kleid und Umhang sorgte stets
eine Gewandspange, die so genannte Fibel, die wie unsere heutigen
Sicherheitsnadeln funktionierte, aber sehr viel schöner aussah. Zum Schutz gegen
die Kälte umwickelten die Germanen Beine und Füße mit wollenen Binden.
Schönheit
und Körperpflege
In
den Gräbern der Germanen findet man häufig Rasiermesser, Kämme und Pinzetten.
Vermutlich schätzten die Germanen weder struppige Bärte noch ungekämmte Haare.
Aufsehen erregte bei den Römern die Frisur der Männer - der Suebenknoten. Hierzu
wurden die Haare zu einem Zopf gedreht und auf der rechten Kopfseite als Knoten
festgesteckt. Funde von Moorleichen zeigen, dass es diese Frisur damals wirklich
gab.
Die Runen
Im Verlauf des ersten nachchristlichen Jahrhunderts werden hierzulande erste
Schriftzeichen gebräuchlich - die so genannten Runen. Das Wort "Rune" entstand
allerdings erst im 17. Jahrhundert. Es wurde von dem althochdeutschen Wort "runa"
für Geheimnis oder Geflüster abgeleitet. Die frühen Runeninschriften sind sehr
kurz. Die Zeichen entsprechen nicht einzelnen Buchstaben, sondern stehen für
Wörter. Die vermutlich älteste Runeninschrift setzt sich aus vier Zeichen
zusammen und wurde auf eine Bronzefibel des 1. Jahrhunderts geritzt. "Für die
Häusliche" steht da - vielleicht ein Geschenk für die Trägerin? Erst ab der
Wikingerzeit (8-11.Jh) werden auch ganze Sätze in Runenzeichen geschrieben,
meist auf große Steine, die so genannten Runensteine. Die Inschriften
beschränken sich auf kurze Weiheformeln oder Besitzernamen. Vielleicht wurden
diesen magische Kräfte zugesprochen. Längere Texte oder gar Bücher, wie wir sie
von den römischen Geschichtsschreibern kennen, wurden dagegen nicht verfasst.
Der Ursprung der Runenzeichen liegt im Dunkeln. Von Dänemark ausgehend verbreitete sich die Kenntnis der Schriftzeichen ab dem 4. Jahrhundert über ganz Skandinavien und schließlich bis nach Großbritannien und Irland im Westen, Russland im Osten, Griechenland im Südosten und Süddeutschland. Etwa 6500 Runeninschriften sind bis heute bekannt, 80 alleine in Deutschland. Das erste Runenalphabet umfasste 24 Buchstaben und wird nach den ersten sechs Zeichen älteres "Futhark" genannt. Das jüngere Futhark bestand nur noch aus 16 Buchstaben und entstand wohl in Südnorwegen oder Südschweden. Es wurde erst in der Wikingerzeit gebräuchlich. Aus dieser Zeit stammen übrigens die meisten Runeninschriften.
Tacitus berichtete, dass die Germanen mit kleinen Holzstäbchen, auf die sie Zeichen ritzten, Götterorakel einholten. Ob diese Zeichen identisch mit den Runen des Futhark waren, lässt sich leider nicht beweisen.
Kult und Opfer
Die Germanen verehrten verschiedene Götter. Schriftliche Quellen darüber gibt es
kaum. Die Berichte der römischen Schriftsteller zeichnen sich durch Versuche
aus, die germanischen Kulte mit denen römischer Gottheiten in Verbindung zu
bringen. So setzt Tacitus den obersten germanischen Gott mit dem Kriegsgott Mars
gleich.
Als Göttertempel diente den Germanen die Natur. Vor allem Moore und kleine Seen
übten Faszination auf sie aus. Hier versammelten sie sich und opferten den
Göttern Speisen, Tiere - wie die vielen dänischen und norddeutschen See- und
Moorfunde zeigen, wurden Schmuck, Werkzeuge, Waffen, Kriegsbeute, Tiere und
manchmal auch Menschen geopfert.
Begräbnis
Die Toten der Germanen wurden meist verbrannt und ihre Knochenreste mit oder
ohne Urne auf einem Friedhof vergraben. Die Toten erhielten Grabbeigaben, Männer
vor allem Werkzeuge und Waffen. Frauen wurde dagegen Schmuck und Geräte, wie
Scheren, Messerchen, Spinnwirtel und Nähnadeln mitgegeben. Mehr als die Hälfte
der Toten erhielten für ihren Weg ins Jenseits keine Beigabenausstattung.
Nur wenige Individuen wurden nicht verbrannt, sie erhielten zudem deutlich mehr
Grabbeigaben, darunter auch solche aus Gold und Silber oder römisches
Tafelgeschirr. Gelegentlich bezeichnete man diese Körperbestattungen als
"Fürstengräber". In einigen Regionen wurden ausschließlich Männer, in anderen
dagegen auch Frauen so herausragend beigesetzt.
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Neue Osnabrücker
Zeitung (NOZ) vom 12.05.2005 Bramsche (slx) |
Knapp 2000 Jahre
nach der Varusschlacht treffen zu Pfingsten wieder Römer und Germanen
auf dem historischen Schlachtfeld in Bramsche-Kalkrjese aufeinander -
dieses Mal allerdings friedlich. Rund 300 Teilnehmer aus acht Ländern
werden anhand von lucanischen Würstchen, germanischem Dinkelbrei und
militärischen Aktivitäten vorführen, wie das Leben damals so spielte. |
Neue Osnabrücker
Zeitung vom 17.05.2005 Erstmals nach fast 2000 Jahren wieder römische Legionäre in Kalkriese |
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