Geschichten aus Berel

Wat de Lüe sek in Berel vertellt hät

Damit diese Seite nicht zu lange Ladezeiten hat, sind die Geschichten ihren Zeiträumen zugeordnet. (Stand 19.04.2006   137 DIN A4 Seiten)

Zeitraum    
1345 - 1899 150 Kurzgeschichten 650 k
1900 - 1945 116  Kurzgeschichten 394 k
1945 - 2004 95 Kurzgeschichten 318 k

 

Wie die Bereler ein Schwein begruben

Ein Holzanteil als Sühne für den Pastor in Söhlde
1540 – 1568 Wilhelm Kaune, Ahstedt
um 1970 in (Hildesheimer Allgemeine Zeitung oder Land und Forst) veröfentlicht

Einleitung:

Wer auf dem alten West-Ost-Handelswege der heutigen Bundesstrasse 1, von Hildesheim nach Braunschweig oder in umgekehrter Richtung fährt, mag auf der Höhe des Messeberges zwischen Feldbergen und Hoheneggelsen wohl anhalten und kurze Rast machen. Im ganzen Harzvorlande gibt es keine Stelle, die solch reiche Aussicht nach allen Seiten bietet., wie diese. Ich möchte heute den Blick nur nach Süden und Südosten lenken. Dort liegen hart an der Hannoversch-Braunschweigischen Landesgrenze drei Gehölze. Die beiden kleinsten sind das „Bettrumer und das Himstedter Lah“, während jenseits der Grenze das weitaus größere das „Berel Ries“ ist.  

Das letztere birgt einen reichen Bestand allerbester Eichen in sich, die in solcher Güte und Schönheit in keinem anderen Walde weit und breit zu finden sind. Eifersüchtig wacht das Braunschweigische Dorf Berel seit jeher darüber, dass kein Auswärtiger in den Besitz eines Anteiles des Rieses kommt. Und doch hat es sich vor etlichen Hundert Jahren zugetragen, dass Berel ein Holzteil an die Pfarre des Hildesheimer Dorfes Söhlde abgeben musste.

Geschichtliche Einordnung:

Das ist damals gewesen, als nach der blutigen Stiftsfehde das Amt Steinbrück, zu dem auch Söhlde gehörte, unter die Botmäßigkeit der Herzöge von Braunschweig kam. Im Kirchenbuche und vor allem in der mündlichen Überlieferung lebt die Begebenheit so fort: Das Pastor von Söhlde musste damals das weitaus kleinere Dorf Berel kirchlich mit betreuen. Die Wege an der alten Landesgrenze waren im schlechten Zustande, bei Regenwetter geradezu grundlos. Der Pastor musste also den beschwerlichen Weg durch das Reis oft zu Pferde zurücklegen. Um durch möglichst wenig Gepäck gehindert zu sein, ließ er seinen schwarzen Chorrock in der Sakristei der Kirche zu Berel hängen. Dieser Mantel gab den Anlass zu der Abgabe des wertvollen Holzteils an die Söhlder Pfarre.

Der Spass fängt an:

An einem grauen Herbsttage feierte ein Bauer in Berel Schlachtfest, „Worstegraffte“ sagte unsere Alten, was gleich bedeutend mit „Schweinebegräbnis“ ist. Bei dieser Gelegenheit war der lustigen Gesellschaft wohl der „Sluck“ (Branntwein) in den Kopf gestiegen. Ihnen „prickelte der Hafer“! Einer der Hauptwortführer machte den Vorschlag: Woi wüllt das Swoin richtig begraven! Ik hole die Grafterede, un joi möt singen! Jey halst en Pastur soinen Mantel iut`n Kerken!“ ( Wir wollen das Schwein richtig begraben! Ich hole die Grabrede, und ihr müsst singen. Du holst den Pastoren Mantel aus der Kirche!“)

Da keiner widersprach, sondern alle einen Bärenspaß erwarteten, ging er zum Küster und bat diesen um den Kirchenschlüssel. „Wat wutt diu denn noch sau späte inner Kerken maken?“. Fragte dieser. Der andere gab irgend einen Grund an, mit dem der Küster sich zufrieden gab. Er gab ihm den Schlüssel. Aver wierbringen!“ mahnte er  noch, und nun nahm die Gesichte ihren Lauf. Mit Chorrock und Barrett des Pastors ausstaffiert, hielt der Missetäter eine derbe Grabrede auf das tote Schwein, während der Chor der anderen Sterbe- und Begräbnislieder dazu gröhlte.

Das frevele Treiben blieb nicht lange verborgen. Die Teilnehmer selbst sorgten in ihrem Übermut selbst dafür, dass die Swoinegraffte“ in den Mund der Leute kam.

Die Reue macht sich breit.
Es dauerte auch nicht lange, und der Pastor in Söhlde wusste auch darum. Er schickte eine geharnischte Botschaft nach Berel und drohte mit der hohen Obrigkeit.

Die Missetäter hielten miteinander Rat und kamen in ihrer Not überein, geschlossen nach Söhlde zu gehen und vor dem Pastor buße zu tun. So marschierten sie denn Tags darauf los und traten mit wahren Armensündermienen vor den zürnenden Seelsorger, der ihnen zur Begrüßung eine donnernde Strafpredigt hielt. Mit herzbewegenden Worten baten sie den Pfarrherrn, ihnen doch zu verzeihen und um des Himmelswillen nichts den Amtsmännern von Salder oder Lichtenberg davon zu melden. Da sie nun alle so reumütig Besserung gelobten, sagte der Pfarrherr schließlich: „Giut, ik will jich nich int Vardarven störten, aver sau ganz ohne wat gaiht düt ok nicht aff!“ („ Gut, ich will euch nicht ins Verderben stürzen, aber so ganz ohne Strafe geht das auch nicht ab!“)

Darob wurden die von Berel heilfroh. Ihr Obmann verneigte sich tief und sagte: „ Herr Pastur! Dat hät woi ok all sau dacht. Wo ist et denne, wenn woi far ewige Tioten an die Parre von Söhle en Holtdeil von iusen Roise affgevet?“ („Wie ist es denn, wenn wir für ewige Zeiten an die Pfarre in Söhlde einen Holzteil von unserem Ries abgeben?“) 

„Hm! Da leite sik woll over küren!“ meinte der Pastor. Sie wurden sich auf dieser Basis denn auch einig. So kam die Söhlder Pfarre in den Besitz eines kostbaren Holzanteiles vom „Berel Ries“, und bis zum heutigen Tage nennt man in Söhlde dieses Anteil des Chormantels wegen „Dat Mandeldeil!“


zur Datierung: von 1544 – 1568 ist für Berel kein Pfarrer benannt. Siehe Text Wilhelm Kaune. Die Suche im Kirchenbuch Söhlde soll noch versucht werden. Später zu Pastor Meyers Zeiten hat es nachweisbar Vertretung aus Söhlde gegeben. 12.04.1767 Pastor Tölgmann zu Söhle hat 3 Kinder allhier getauft. (Kirchenbuch Berel)

 

Eine andere Version des gleichen Vorfalls ist von Ewald Bock, 
Wald-Chronik 1975, Seite 42/43 in
Gedichtform dargestellt:

In früherer Zeit  hielt einmal der Söhlder Pastor in der Bereler Kirche Gottesdienst ab, weil der hiesige Pastor erkrankt war. Er ließ seinen Talar in der Sakristei hängen. Was daraus wurde, soll der folgende Reim wiedergeben.

De Manteldeilig

Die Knechte johlen, es kreist der Humpen,
heut lässt sich auch der Wirt nichts lumpen;
denn es ist Fastnacht, in den meisten Menschen der Schalk erwacht.
Im Raum wird es plötzlich still.
Als wenn das Unglück es so will.
Nur aus einer Ecke hört man flüstern, lachen,
wie wenn Männer Pläne machen.

Ein Bursche erhebt sich, lacht und spricht:
„Ich weiß ein tolles Ding, versteht ihr mich?“
Erwartungsvoll die Meute johlt:
„Wir machen mit, wenn es sich lohnt!“
Der Bursche erwidert: „ Es lohnt sich fürwahr,
wir klauen dem Söhlder Pastor den Talar.“
Unter Saufen und Lachen wird nun eine Tat geschaffen,
die die Leute nach Jahrhunderten noch belachen.  

Im Handumdrehen war der Talar aus der Kirche gestohlen
Die frechsten Knechte wurden dazu befohlen.
Der Narrenzug formiert sich, im Talar voran,
unter der Maske des Teufels ein junger Mann.
Doch mit den Obrigkeitsmächten ist ein solcher Bund
Nicht zu flechten – und das Unglück schreitet schnell.

Von der Kanzel donnert der Söhlder Pastor:
„Auf die Knie, ihr Verfluchten, und beichtet mir,
wer zu solcher Tat euch erkor.“ –
 

Aber, was sie auch forschten, was sie auch horchten
Im Stillen, der Pastor bekam niemals seinen Willen.
Zuletzt mischt der Rat der Gemeinde sich ein
Und spricht offiziell: „Die Tat war gemein.
Das kann so nicht bleiben und darf so nicht sein.
Der Söhlder Pastor soll uns verzeih´n.
Wir wollen dem missbrauchten Talar ein Holzanteil weihen.
Die Söhlder Pfarre soll es behalten immerdar.“
Das war die Geschichte von dem missbrauchten Talar.

(12.04.1767 vier Tage krank an Coliqie der Pastor Tölgmann zu Söhlde hat 3 Kinder alhier getauft)

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